Offizielle Kammer-Nachrichten der Ingenieurkammer Hessen Ausgabe 01-02 | 2024 liche Honorare schaffen, indem sie Inge- nieurvergütungen der öffentlichen Hand in entsprechenden rechtlichen Regelun- gen an markttechnische Gesichtspunkte anpasst.“ Dazu gehört auch eine Verga- be solcher Aufträge im Leistungs- statt einem Preiswettbewerb. Mehr hochqualifizierte Ingenieure benötigt Zu den hochkomplexen Aufgaben, die Ingenieure ausüben, gehören unter an- derem die Planung ausgefeilter Bauvor- haben und kritischer Infrastruktur wie Straßen, Brücken und Schienen, die Schaffung von Baugebieten, die Erstel- lung statistischer Berechnungen für tra- gende Strukturen oder die Durchführung von Bauleitungs- und Kontrollaufgaben. „Um die Qualität dieser Dienstleistungen zu gewährleisten, fordern wir im Namen der Ingenieure seit vielen Jahren die Einführung von Berufsrechtsvorbehal- ten, wie sie etwa Anwälten, Ärzten oder Architekten zuteilwerden“, betont Kluge. „Auch aus Sicht der öffentlichen Auftrag- geber wäre es bei Vergabeverfahren sinnvoll, wenn sie von vornherein genau wüssten, dass nur Fachleute mit ange- messener Qualifikation und Erfahrungen zur Auswahl stünden.“ Auch im Ingenieurwesen werden mo- mentan händeringend gut ausbildete Arbeitskräfte benötigt. Die berufsstän- dischen Vertreter wehren sich allerdings zurecht gegen die Versuche der Politik in der jüngeren Vergangenheit, diesem Missstand mit einer Absenkung der An- forderungen begegnen zu wollen. „Die Lösung darf keinesfalls sein, das Niveau der Ausbildung herabzusetzen, um den Fachkräftemangel in den Griff zu be- kommen. Ganz im Gegenteil – muss de- ren Qualität eher noch gestärkt werden“, merkt Kluge an, „denn eine hochwerti- ge Planung ist speziell bei sicherheits- relevanten Ingenieurleistungen unab- dingbar, bei denen nicht nur materielle Schäden an Sachwerten vorkommen, sondern letztlich auch Leib und Leben auf dem Spiel stehen können. Das ist jedoch nur möglich, wenn wir das der- zeit vorhandene Niveau auch weiterhin 2 ©eyetronic-stock.adobe.com aufrechterhalten.“ Daher plädiert die Ingenieurkammer Hessen für die Bei- behaltung der hohen Standards für die Anerkennung der Berufsbezeichnung In- genieur im Hessischen Ingenieurgesetz (HIngG), das in der kommenden Legis- laturperiode von der Landesregierung überarbeitet werden soll. Wittig merkt an, dass die Ingenieurkammer Hessen im Jahr 2023 hohen Aufwand treiben muss- te, die Politik vom Erhalt einer möglichst hohen Qualifikation des Ingenieurnach- wuchses zu überzeugen. Eine Reduzie- rung der Ausbildungszeiten und -inhalte zu Lasten der Qualität, wie es von dem scheidenden hessischen Wirtschafts- minister Al Wazir in der letzten Legisla- turperiode praktiziert wurde, lehnt die Ingenieurkammer unter Verweis auf den Verbraucherschutz kategorisch ab. Viele „Baustellen“ in den Bereichen Infrastruktur und Wohnungsbau Die Erhaltung des Ausbildungsniveaus ist gerade angesichts der vielen maro- den öffentlichen Bestandsbauwerke in Deutschland auch unerlässlich. Über 4.000 Brücken hierzulande sind laut Aussage von Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing derart marode, dass sie saniert oder neu gebaut werden müs- sen. In einem ähnlich schlechten Zu- stand befinden sich darüber hinaus zahl- reiche Gebäude, wie die Schadensfälle der eingestürzten Decke eines Hörsaals an der Universität Marburg oder des Da- ches der Kirche St. Elisabeth in Kassel erst jüngst erneut bewiesen haben. Hier kommt es auf eine hochwertige Planung und ausgeklügelte Prüfverfahren für Brücken und Gebäude an, die sich nur durch eine entsprechende Qualifikation der auf diesem Gebiet tätigen Ingenieure sicherstellen lässt. „Wer billig plant, baut teuer“, fügt Wittig ganz plakativ hinzu und erörtert die Gefahren, die beispiels- weise die Einführung des geplanten § 65 MBO (Musterbauordnung) in diesem Zu- sammenhang darstellt. Denn aus Sicht der betroffenen Ingenieure würde sie zu einer klaren Benachteiligung von Bau- vorlageberechtigten mit inländischen Hochschulabschlüssen und damit ver- bunden indirekt zu einer Absenkung des Qualifikationsniveaus führen. Ein weiteres Thema, das die hessischen Ingenieure umtreibt, ist die Baulandent- wicklung. Alleine in Hessen fehlen jähr- lich bis zu 37.000 Wohnungen, speziell in dem Speckgürtel rund um die Me- tropolen. Dies liegt vor allem an dem Mangel an baureifen Grundstücken, auf denen Gebäude errichtet werden können. Ein dringendes Gebot ist des- halb eine rasche Baulandentwicklung, die aus verschiedenen Gründen nicht schnell genug voranschreitet. Hierzu gehören nicht nur die wertvollen Außen- bereichsflächen. Nach den Recherchen der Ingenieurkammer existiert ein be- achtliches Baulandpotential im Innen- bereich, das häufig völlig unternutzt ist (übergroße Grundstücke) und sich über- wiegend im Eigentum von älteren Men- schen befindet, die gegen Bereitstel- lung von Tauschobjekten diese Flächen gerne (wegen des zu hohen Pflegeauf- wands) abgeben würden. Hier ist der Staat in Form von Bodenbevorratung gefordert.