29.07.2025
Stellungnahme der Bundesingenieurkammer (BIngK)
Die Bundesingenieurkammer begrüßt das Tempo, mit dem die Reform des Vergaberechts von der neuen Regierung in Angriff genommen wird. Der aktuelle Gesetzesentwurf enthält generell gute Ansätze. Eindringlich warnt die Bundesingenieurkammer jedoch davor, beim Vergaberecht den Grundsatz der mittelstandsfreundlichen Vergabe weiter zu verwässern.
Auch der Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlamentes (IMCO) hat am 7. Juli 2025 für eine Reform der EU-Vergaberichtlinien ebenfalls gefordert, kleinen und mittleren Unternehmen die Teilnahme an Ausschreibungsverfahren zu erleichtern. Dafür soll die Ausschreibung von Aufträgen in kleinen Losen verpflichtend werden.
Eine weitere Ausnahme vom Losgrundsatz um dringliche, aus dem Sondervermögen des Bundes finanzierte Infrastrukturvorhaben, hält die Bundesingenieurkammer für nicht erforderlich. Dies würde Generalunternehmervergaben befördern und einen fairen Wettbewerb verhindern. Zudem ermöglicht der Passus des aktuellen Entwurfes – durch gezielte Zusammenfassung mehrerer Vorhaben – den vorgegebenen Schwellenwert zu überschreiten, um somit den Losgrundsatz rechtsmissbräuchlich zu umgehen. Hierbei besteht auch die Gefahr, dass diese Ausnahme der künftigen EU-Regelung im Sinne der Empfehlungen des Binnenmarktausschusses entgegenstehen wird.
Erst recht gelten die Ausführungen zum Passus der Ausnahmeregelung zum Sondervermögen für das weitere Gesetzgebungsverfahren. Es ist zu befürchten, dass eine weitergehende Aufweichung des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB angestrebt wird. Dieser ist der eine klare Absage zu erteilen.
„Der Koalitionsvertrag sieht eine mittelstandsfreundliche Vergabe vor. Wir appellieren an die Bundesregierung, hier nicht wortbrüchig zu werden. Die Erwartungen der kleinen und mittleren Unternehmen an die neue Regierung sind groß. Die Verwässerung der losweisen Vergabe wäre ein falsches Signal. Mehr Tempo bei Bauen gelingt nur durch ein flächendeckendes Anbieternetz von Planungs- und Bauleistungen in den Kommunen, weniger Bürokratie und mehr Digitalisierung.“
Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Bundesingenieurkammer
Stellungnahme der Bundesingenieurkammer zum Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabebeschleunigungsgesetz) vom 28.07.2025
Die grundsätzliche Beibehaltung des Grundsatzes der losweisen Vergabe, der nur bei Vorliegen erforderlicher technischer oder wirtschaftlicher Gründe durchbrochen werden darf, wird ausdrücklich begrüßt.
Die Stärkung kleiner und mittelständischer Planungsbüros ist im Interesse einer Erweiterung des Wettbewerbs bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch Teilnahme möglichst vieler Wettbewerber unbedingt erforderlich. Nur so können auch öffentlichen Auftraggeber im Wettbewerb das wirtschaftlichste Angebot auswählen. Der Vorrang der losweisen Vergabe bezweckt neben der Stärkung des Mittelstandes auch die Entstehung und Förderung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs und die Vermeidung einer Monopolbildung einiger weniger Anbieter, die dann auch den Wettbewerb beschränken.
Auch der Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlamentes (IMCO) hat am 07.07.2025 für eine Reform der EU-Vergaberichtlinien ebenfalls gefordert, kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) die Teilnahme an Ausschreibungsverfahren zu erleichtern und die Ausschreibung von Aufträgen in kleinen Losen verpflichtend machen.
Eine weitere Ausnahme vom Losgrundsatz um dringliche, aus dem Sondervermögen des Bundes finanzierte Infrastrukturvorhaben halten wir daneben für nicht erforderlich. Er stärkt Generalunternehmen und eröffnet die Möglichkeit, durch gezielte Zusammenfassung mehrerer Vorhaben den vorgegebenen Schwellenwert zu überschreiten, um somit den Losgrundsatz rechtsmissbräuchlich zu umgehen.
Ferner besteht hierbei auch die Gefahr, dass diese Ausnahme einer künftigen EU-Regelung im Sinne der Empfehlungen des Binnenmarktausschusses entgegenstehen wird.
Es wird ausdrücklich begrüßt, dass durch die Änderung in § 103 Abs. 3 Satz 1 GWB klargestellt wird, dass die Vergabe von Bauaufträgen nicht die gleichzeitige Vergabe von Planung und Ausführung erfordert.
Der bisherige Wortlaut der Regelung hat in der Praxis dazu geführt, dass aus § 103 eine gleichzeitige Ausschreibungspflicht und Vergabe für alle Teile der Planung und Ausführung eines Bauauftrages gefolgert wurde. Dies führte regelmäßig zu einer General-/Totalunternehmervergabe, welche rechtlich nicht zwingend ist.
In der Vergabepraxis muss dringend darauf hingewirkt werden, dass bei der Ausschreibung von Planungs- und Bauleistung als „Bauauftrag“ der öffentliche Auftraggeber entscheiden kann, ob er die notwendigen Planungsleistungen gemeinsam mit der Ausführung der geplanten Bauleistung ausschreibt oder nicht und ob er anschließend die Planungs- und Bauleistung als getrennte Lose vergeben möchte.
Auch Städte und Kommunen profitieren von diesem neuen, alternativen Vergabemodell, welches ihnen die Möglichkeit gibt, praxisgerecht und unter Vermeidung zusätzlichen bürokratischen Aufwandes über die Ausgestaltung von Vergabeverfahren zu entscheiden
Um das Vereinfachungspotential der Digitalisierung effizient nutzen zu können, hatten wir die Vereinheitlichung der bisherigen unterschiedlichen Vergabeplattformen bereits im Rahmen der öffentlichen Konsultation vorgeschlagen. Deshalb wird die geplante Einrichtung einer zentralen Plattform für den öffentlichen Einkauf ausdrücklich unterstützt.
Das Erfordernis einer „erschöpfenden“ Leistungsbeschreibung soll gestrichen werden. Die Leistungsbeschreibung muss jedoch so klar gefasst sein, dass sie für alle Bieter gleichermaßen verständlich ist und keine kalkulatorisch relevanten Fragen offenbleiben. Im Interesse der Kostensicherheit und der Vermeidung von Nachträgen sollten deshalb alle kalkulationsrelevanten Beschreibungen und Kriterien in einer Leistungsbeschreibung enthaltenen sein müssen, die auch in § 7 VOB/A beschrieben sind.
Es wird daher vorgeschlagen, auf die Streichung dieses Erfordernisses zu verzichten.
Eignungsanforderungen und Ausführungsbedingungen sind sehr oft unangemessen und stellen ein wesentliches Hemmnis für die Vergabeverfahren dar. Vor diesem Hintergrund wird die Stärkung des Grundsatzes von Eigenerklärungen sowie die Vorlage von Nachweisen nur von aussichtsreichen Bietern ausdrücklich begrüßt.
Ausdrücklich begrüßt wird ferner die Klarstellung, dass die Vergabe von Planungsleistungen, die Teil eines Bauauftrags sind, aber losweise vergeben werden, sich nach dem sachnäheren für Lieferungen und Dienstleistungen geltenden Recht richtet und nicht nach der VOB.
Diese bisher rechtliche umstrittene Frage stand einer gemeinsamen Vergabe von Planungs- und Bauleistungen als Bauauftrag und einer anschließenden getrennten Fachlosvergabe beider Leistungen regelmäßig entgegen.
Die Orientierung an der größeren Sachnähe für die Vergabe von Architekten und Ingenieurleistungen nach den Regelungen der VgV kann sich für diese Vergabemöglichkeit künftig positiv auswirken.
In der bisherigen Fassung von § 35 Absatz 1 VgV waren Nebenangebote nur zugelassen, wenn dies ausdrücklich erwähnt wurde. Äußerte sich der Auftraggeber also nicht, waren keine Nebenangebote zugelassen.
Nunmehr soll der Auftraggeber verpflichtet werden, ob er Nebenangebote zulässt oder auch nicht. Es fehlt jedoch eine Regelung dazu, was passiert, wenn der Auftraggeber schlicht keine Angabe macht.
Hier sollte im Interesse der Rechtssicherheit eine Zweifelsregel eingefügt werden, indem z.B. der bisherige Absatz 1 Satz 2 in der Neuregelung beibehalten wird: „Fehlt eine entsprechende Angabe, sind keine Nebenangebote zugelassen.“
Begrüßt wird die Einschränkung des Ermessens des Auftraggebers beim Ausschluss eines ungewöhnlich niedrigen Angebotes durch die Änderung der „kann“- in eine „soll“-Bestimmung.
An dieser Stelle oder ggfls. auch bei § 76 Abs. 1 VgV böte sich darüber hinaus eine Klarstellung an, dass bei angebotenen Planungsleistungen Unterschreitungen der anwendbaren Tafelwerte der Gebühren- und Honorarordnungen ein ungewöhnlich niedriges Angebot im Sinne des § 60 Absatz 1 darstellen.